menschen treffend: josef

„Deitsch“, so spreche man hier in diesem Land, das sei die Sprache, die man verstehe und die unsere Kultur präge, geprägt habe und immer prägen werde. „Herrgott, schau oba.“, denkt sich Josef. 

Heute wird wieder mal diskutiert im Dorfgasthaus, heute gibt es erneut einen Anlass dazu. „Einer von den Slowenen“ habe gefordert, dass als zweite Landessprache „slowenisch“ festgeschrieben werden solle. Das stand in der Zeitung, die jetzt noch aufgeklappt am Wirtshaustisch liegt. Ausgerechnet im Jubiläumsjahr kämen „die Slowenen“ wieder damit „daher“. Wobei das natürlich auch für Josef einleuchtet, dass „die Slowenen“ ihre Chance wittern und natürlich versuchen das 100-Jahr-Jubiläum der Abstimmung zum Verbleib bei Österreich zu nutzen, vielmehr noch: zu instrumentalisieren. Das wird „den Slowenen“ natürlich nicht gelingen. „Diese Hund!“ 

Es reicht, es reicht, es reicht!, seit Jahrzehnten gehe das so, es reicht „den Slowenen“ offensichtlich nie. „De Tschuschn unta uns“ 

Die große Angst, die am Wirtshaustisch herrscht, ist, dass man jetzt nicht nur einen „Slowenenversteher“ und „Slowenenfreund“ als Landeshauptmann habe, sondern einen, der „woarscheinlich sölba ana von denen is“. Wer weiß, denkt sich nicht nur Josef, wenn jetzt tatsächlich all die Forderungen erfüllt würden. Seit der letzte richtige Landeshauptmann, nein, Landesvater, der wirklich jedem und jeder und allem in diesem Land die Hand geschüttelt habe, auf tragische Weise ums Leben kommen musste, ist alles möglich. Jetzt gäbe es niemanden mehr, der dem ganzen „Minderheitenblödsinn“ abschwöre, der sich dagegen stelle, wie der Landeshauptmann, der sowohl im weißen Anzug wie auch im braunen Kärntner-Anzug, der im Landtag wie auch auf der Straße immer eine gute Figur gemacht habe, und mit hoher Wahrscheinlichkeit ermordet worden war. Je nach Blickwinkel entweder vom Mossad oder von den Freimaurern oder von … Josef glaubt eher, es waren „die Mächtigen“, die ihn einfach weghaben wollten, denen er im Weg stand, weil er der Letzte war, der sich noch dagegenstellte. Gut in Erinnerung ist Josef noch, wie der Landeshauptmann, der „Londesvota“, persönlich anrückte, um Ortstafeln zu verrücken, ganz friedlich und rechtskonform natürlich. Geklatscht hatte Josef damals, als er die Bilder im Fernsehen sah, diese ikonischen Bilder mit dieser Ikone der treuen Patrioten, deren Herz für ihr Land schlägt. Eine Mehrheit habe damals geklatscht, so hat es Josef in Erinnerung, die meisten fanden es gut, alle haben zugesehen. Warum wohl, stellt Josef fest, weil das eben alle guthießen. Gibt ohnehin kaum noch welche von denen, werden immer weniger, stellt Josef fest, weil sie ja selber merken, dass sie ihr „slowenisch“ nicht brauchen. „Za wos?!“ Für was denn überhaupt, wenn sie sowieso deutsch sprechen. 

Schimpf und Schande brächten „die Slowenen“ über das Land, ständig nichts als Unruhe wollen sie stiften, seit Jahrzehnten, nur Forderungen könnten sie aufstellen und immer wieder neue Ortstafeln. Man habe mehrmals den kleinen Finger hingestreckt und trotzdem wäre nach der ganzen Hand gegriffen worden. So ist das in Josefs Erinnerung, er habe das ja alles miterlebt, immerhin sei er – seit diesem Jahr in Pension – ja auch schon 65. 

Man erinnere sich, dass sich vor hundert Jahren eine Mehrheit der lokalen Bevölkerung für den Verbleib bei Österreich entschieden hat, eine Mehrheit, die nur überwiegen konnte, weil auch zweisprachige Kärntner und Kärntnerinnen für diese Aufteilung und eben nicht Abspaltung votiert haben. Man erinnere sich, dass kaum ein Jahrzehnt nach dem zweiten Weltkrieg im Staatsvertrag die Minderheiten-Rechte festgeschrieben wurden, welche der slowenischsprachigen Bevölkerung in Kärnten Sprache wie Kultur zugesichert hatten. Man erinnere sich, dass diese in Artikel 7 des Staatsvertrags von 1955 festgeschriebenen Rechte auch fünfzig Jahre später noch nicht garantiert werden konnten. Josef erinnert sich nicht. Josef erinnert sich nicht oder erinnert sich anders. 

Er kenne sie, „die Slowenen“, nicht aus seinem Ort, wo es sicher kein Slowene lebe, sondern von dort, wo man etwas tiefer in sein Kärntner Land gefahren sei. Dort sitze man im Gasthaus und sei der Feind, da würde man auffallen. Spürbar sei die Ablehnung gegen jene, die nicht slowenischsprachig sind. Da würde dann auf windisch oder slowenisch oder einem Kauderwelsch getuschelt und geschimpft. Und obwohl Josef nicht versteht, was da gesagt wird, ist er sich sicher, dass dies genau so sei. Unfreundlichkeit, Ablehnung. Eine aufgeheizte und angespannte Stimmung nehme man wahr. Er erinnert sich an mehrere Begebenheiten, die er fast als bedrohlich wahrgenommen habe. „Ongst“ und Unwohlsein beschleiche ihn und naturgemäß ein Misstrauen. Diese dauernde Unzufriedenheit von der Gegenseite, in den Gesichtern eingeschrieben, verbittert, kampfesbereit. Wem es hier nicht passe, könne ja sofort abhauen, zurück über die Grenze, wo sie hingehören, „diese Slowenen“, es kämen sowieso immer mehr Ausländer („A noch de Moslems“). Und wohin führe das? – Naturgemäß zur Umvolkung, aber das will man vielleicht auch. Fremd im eigenen Land, so fühlt sich Josef. „Hetz glab is owa gach. Wir san in unsam eignen Lond bold die Auslända.“

Es sei ja schon ein Zeichen, denkt sich Josef, dass an der Schule seiner Enkelin slowenisch als Freigegenstand angeboten würde, wie er letztens erfahren habe, soweit seien wir schon. „Sicha nit“ 

Josef sieht auch gar nicht ein, warum man überhaupt eine andere Sprache lernen sollte („Za wos?!“), habe er auch noch nie gebraucht, nicht beim Ausflug über die Grenze nach Italien zum Pizzaessen und nicht mal im Urlaub – in Lignano oder Bibione. Die können alle deutsch, also wieso solle er es lernen. Ein paar Wörter kann Josef natürlich schon: „Ciao“ zum Beispiel, „Uno – Duo – Tre“ aufzählen und „Birra“ sowie „Pivo“ rufen, und „Cevapcici“ und, da muss Josef etwas überlegen, sogar „Dober dan“.