ein neues JA

erwachte ich. es war schon morgen. was soll das jetzt, was soll das nun für ein erfrischter, ein mensch sein?

glücklicherweise hat es in der letzten nacht nicht gekracht oder nur selten und dann von fern. die blitze am himmel waren trotzdem heiß, aber daran konnte ich mich nicht verbrennen. das eis funkelte im garten dahin, das gras brach, ich sprach kein wort dem knirschen entgegen. war ich im dunkel entgleist; oder schon weit davor? beim spazieren schmerzte der linke fuß mehr als der rechte. erst als ich die schuhe anders band, ließ das nach, die kälte kroch jedoch danach mein bein hoch. mein atem fror sowieso schon vor meinen augen. 

im spiegel der gleiche, nur die uhrzeit eine andere, und weit stiller. ich hatte gelesen und gesehen und wieder gelesen und getrunken. die flaschen waren jetzt wegzuräumen, wie ich so allein soviel schlucken konnte, schreckt mich, erschreckte mich immer wieder aufs neue. doch ist es treibstoff wie auch stoff, der mich schützt, wie ein kostüm, das ich gestern eigentlich nicht gebraucht hätte. trotzdem war etwas zerbrochen. die scherben hob ich und zerschnitt mich. stand das auch so da? auf welchen seiten? 

das letzte jahr hatte mich völlig fragmentiert, kann ich jetzt sagen, oder vielmehr denken, kann ich immer noch, schon gut. ganz zerrissen, in fetzen, fühl ich mich. noch immer. es hängt an mir, etwas, es klebt die welt. wie zäher teig, zwischen den fingern eine spur von, ich weiß es nicht, ein ungesicherter duft. kleckse auf meiner haut. die fehlende stille, vielmehr der lärm, in dem man ausgesetzt ist, aussitzen muss, feststeckt, zeichnet sich ab. eine interessante art der faltung hatte ich erlebt, konnte ich beobachten. umgeräumt stand ich noch immer da, ausgesetzt. so bloß nicht weiter, immer wieder hatte ich im herbst gedacht, niemals wieder. ein anderer werde ich sein und dadurch wieder ich. ist das nicht verständlich. ein leben als text, der unlesbar ist, und an meiner handschrift war es nicht gelegen.

zulange in der wirklichkeit aufgehalten, politik gemacht anstatt poetik. überhaupt in falsche richtungen gedacht.

es liegt nicht alles in mir, die meisten konflikte spielen sich draußen ab, dem feind, der letztlich auch mich anzugreifen vermag. das weinen habe ich immer noch nicht erlernt, die tränen kommen mir einfach nicht entgegen, wenn ich nicht im kino oder im theater sitze. das träumen konnte ich mir wieder antrainieren, auch wenn es schmerzte, weil die bilder umso deutlicher einfielen auf mich; und ich mich in ihnen wälzte. wieder was gelernt, im letzten sommer, den frühling vergessend, die tage dazwischen. die sonne, das salz, das sattsehen am strand, im sand die erde verbrennen. einen unaufhaltbaren zerfall konnte ich an mir feststellen. das _nicht mehr einkriegen_, wie hält man das bloß aus? wie kann man diese ganzen gedanken bloß fassen, dafür fehlt doch der raum. oder nicht? oder ist es anders und nicht so. nicht so immer weiter, nicht immer wieder so und nicht anders. das muss enden, dieses zu weit gehen, soweit, dass man nicht mehr zurückfindet oder nur noch unter größter anstrengung, enormer anspannung. wie kann man sich in einem leben bloß so verheddern. und warum ist das keine frage? ich hatte mir auch vorgenommen nicht mehr so gelesen werden zu wollen, wie man – in ernster linie – geschrieben steht, aber das machen die gegenüber, welche die zeichen zusammenzählen und ihre schlüsse ziehen. aber das bin doch nicht ich! das bin ich doch nicht, schreit es in mir, für andere unhörbar, aber stärker kann ich es nicht betonen. 

es war nicht das letzte jahr, zugegeben, es war mehr als ein jahrzehnt, in der ich meine rollen besser als gut spielte. rollen, die mehrzahl, für jede gelegenheit eine andere, die ich meisterte. mir wurde soviel abgenommen, aber nicht das gewicht, das ein haufen an leuten zu verursachen im stande war, der ganze müll, der auf einem lastet. man will sich befreien und loslaufen, und kommt nicht los. 

welch überraschung mich nicht einmal ungeschminkt zu sehen. 

ich habe mich zu lange in der realität aufgehalten, sie hielt mich auf, was ich nachvollziehen wusste – aber mehr auch nicht. bitte nicht mehr, nicht immer mehr und mehr und vermerkt auf meinem hinterkopf, der glüht. dort legt sich die narbe frei, die weiter zieht, mit jeder wunde, die nicht mehr zu heilen ist. (die letzte habe ich vielleicht sogar übersehen). blut im wutbad. nebel im nebenhirn, das jahr davor war ich über die treppen gestürzt, im haus, und am heimweg auf den asphalt gestürzt und habe meine kopfdeckung in den fluß verloren. heißt es verronnen oder verrannt? verronnen oder verrannt?! es ist nicht zu beantworten, wenn man nicht weiß, warum.

wohin jetzt? wohin noch? in jedem wald muss es doch eine lichtung geben!

die gegenwart schon wieder verbraucht. den tod vor den augen, die ich mir zuhalte, dem ersten und dem nächsten. der rauch zieht vorüber, der husten schießt darin die löcher. ich seh durch den tunnel nicht, wie nicht durch einen strudel. wird alles zu einer erschwernis, alles, oder nur das meiste. 

das nehm ich mir nicht ab, das nimmt mir niemand ab. 

ich würde so gerne mal aus mir gehen, aber bei jedem versuch muss ich losbrüllen, erstarre nicht nur selbst darauf. man möchte schreien, endlich wieder ungestört schreien. sprechen wir doch lieber über uns selbst.

irgendwo im haus wird sie stecken, dort werde ich sie suchen. 

und ich erzähl mir dabei ein gedicht, die katzen sondern es in meinen augen und schnurren, und kratzen als es zu ende ist.